Eine Nachfolge ist immer mit Loslassen verbunden. Die Person, die ihre Firma übergibt, muss zu einem bestimmten Zeitpunkt die Schlüssel abgeben, die Türe zum letzten Mal schliessen und Abschied nehmen.
Wenn wir nicht loslassen können, gibt es keine Nachfolge, auch wenn wir das möchten. Wer nicht loslässt, macht keinen Platz für Neues.
- Warum fällt uns das Loslassen so schwer ?
- Was können wir tun, damit es uns leichter fällt?
- Was habe ich gemacht und wie geht es mir jetzt?
Diese Fragen werden im nachfolgenden Blog beantwortet.
Die Phasen des Loslassens
Abschied
Als ich im April 2024 zum letzten Mal das Geschäft verliess, das nun nicht mehr „unser“ Geschäft war, sondern neue Inhaber hatte, fühlte ich mich schlecht. Zum einen war da das Gefühl, in den letzten Monaten nicht das gemacht zu haben, was ich eigentlich vorhatte, nämlich die Nachfolger optimal vorbereiten, zum andern war da die grosse Ungewissheit, vor dem, was kommt.
Leere und Trauer
Es war eine gewisse Leere da, weil plötzlich das, was jahrelang unser Fokus gewesen war, unser tägliches Thema, der Mittelpunkt unseres Tuns und Handelns, nicht mehr da war. Weder die Sorgen, wenn ein Mitarbeitender krank war, oder der Umsatz schlecht war, noch die Glücksgefühle, wenn wieder mal alles rund lief und der Umsatz gut, die Kundschaft glücklich und das Team zufrieden war.
Was nun? Eigentlich gab es nur Gründe, zufrieden, stolz und dankbar zu sein. Zufrieden, weil ein anspruchsvolles Projekt beendet werden konnte, stolz, weil alles so gut geklappt hatte und dankbar, weil das Nachfolge-Team voller Tatendrang und Motivation war und nun endlich loslegen konnte.
Warum also diese Trauer? Loslassen heisst Abschied nehmen und je mehr Herzblut in einem Projekt drin war, umso schmerzhafter ist das Loslassen. Loslassen ist auch mit Angst verbunden, die Angst, nicht mehr wichtig zu sein, die Angst, ohne diese grosse Verantwortung nichts mehr wert zu sein. Dass eine Trauer und Leer da sind, ist völlig normal und gehört zum Leben. Was können wir tun, damit wir die Nachfolge-Geschichte mit guten Gefühlen beenden können und ein neues Kapitel beginnen?
Akzeptanz
Was habe ich gemacht?
Quand on aime, il faut partir… mit diesem Satz von Blaise Cendrars in den Ohren bin ich ein paar Tage später aufgebrochen. Mit dem Fahrrad, minimaler Ausrüstung und einem Ziel vor Augen: der Atlantik und die französische Küste. Mein Mann, ebenfalls minimal ausgerüstet, mit dabei. Und auf ging’s Richtung Westen. Wettermässig war es eine Herausforderung. Das Mai-Wetter war launisch, viele Wolken, viele Gewitter, dazwischen Sonnenschein und schon fast heisse Tage. Wir sahen prächtige Landschaften, erlebten viel Wasser, besuchten traumhafte Schlösser, kämpften uns durch überschwemmte Radwege, reparierten platten Reifen, übernachteten auf Zeltplätzen und genossen romantische Sonnenuntergänge und ruhten uns ab zu in einem schönen Hotel aus und trockneten unsere Sachen.
Wir froren und schwitzten, lachten, sangen und fluchten manchmal ein bisschen. Wir assen köstlich und manchmal karg im Zelt.
Jeder Tag war spannend, ich war gefordert und täglich gab es etwas zu organisieren, zu improvisieren, die Route zu planen, weiterzufahren.
Je grösser die Distanz, je mehr Kilometer, je mehr Erlebtes, desto seltener wurden die Gedanken an das Zurückgelassene. Die Gedanken drehten sich mehr und mehr Richtung Gegenwart und Zukunft.
Nach drei Wochen waren wir am Meer, stolz und voller Zufriedenheit und Dankbarkeit.
Lessons learned
- Loslassen heisst akzeptieren, dass etwas vorbei ist und dass etwas Neuer anfängt.
- Loslassen heisst, die Leere und die Trauer aushalten.
- Loslassen heisst, die Zuversicht zu haben, dass das Neue gut sein wird.
Fazit:
Je schneller wir die Situation akzeptieren können, desto schneller sind wir in einem positiven Modus und können neue Ideen generieren, sind bereit für Neues. Wolfgang Jenewein spricht von „radikaler Akzeptanz“ und betont, dass die Haltung, mit der wir auf Herausforderungen reagieren, den Unterschied macht. In seinem Artikel. geht es um eine absolute Krisensituation, was bei mir nicht der Fall war. Aber es geht um das gleiche Phänomen.
Unser Projekt, an den Atlantik zu fahren, war eine Herausforderung und hat mir geholfen, den Blick nach vorwärts zu lenken – zurückschauen geht nicht beim Fahrradfahren. Und meine Gedanken, die noch so oft zurückkehrten zum Alten sind langsam seltener geworden.
Meine Leeere und meine Trauer haben sich auf der Reise gewandelt, sind schwächer geworden und schliesslich verschwunden. Mit vielen neuen Eindrücken, Bildern und Begegnungen sind wir nach Hause gekommen und es gab Platz für neue Ideen, neue Projekte und Aufgaben.
Heute bin ich in meinem neuen Leben richtig angekommen. Ich durfte spannende Projekte begleiten und bin wieder in der Bildung unterwegs.
Dass ich auf dieser Reise tatsächlich mein erstes Mandat „gefunden“ habe, ist eine andere, wundervolle Geschichte.
Und bestätigt, was ich soeben geschrieben habe.
Und wie singt doch Patent Ochsner so schön: Es Tor geit uuf, unes angers geit zue…
Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht, wenn es ums Loslassen geht? Was für Geschichten über das Loslassen könnt Ihr erzählen? Und was sind rückblickend Eure lessons learnded? Ich bin gespannt auf Eure Kommentare.
Judith Trachsel Oberleitner
JTO Solutions