Was mir das Bergsteigen und die nicht erreichten Gipfel für mein Business gebracht haben

Auf meinen Expeditionen in Südamerika gab es nicht immer nur Gipfelerfolge, sondern es gab auch schwierige Situationen. Gipfelversuche mussten abgebrochen werden,  eine Tour in ein völlig abgelegenes Gebiet in Bolivien musste frühzeitig beendet werden. Es ging darum, Entscheide zu fällen und entsprechend zu handeln, oft unter Zeitdruck und schwierigen Verhältnissen.

Welche Fragen werden wir in diesem Blog diskutieren und beantworten?

  • Was waren die Gründe des Scheiterns ?
  • Wie verlief das Danach?
  • Was war der entscheidende Augenblick?
  • Was waren die wichtigsten Erfahrungen?
  • Inwieweit hat es mir in meinem Business Alltag weitergeholfen?
  • Was für ein Fazit ziehe ich?

Die drei gescheiterten Projekte

1. Cotopaxi, Ecuador

Ich bin in Ecuador und starte mit meinem Guide den Versuch, den Vulkan Cotopaxi* zu besteigen. Der Abbruch erfolgt ca. 300 Höhenmeter unter dem Gipfel. Es hat sehr viel Neuschnee, viel Wind und schlechte Sicht. Beim Abstieg auf über 5000m gibt es dann ein White out und Ausharren in grosser Kälte mit viento blanco, einem Phänomen, bei dem man in kürzester Zeit mit Eis überzogen wird.

Der Abbruch war absolut die richtige Entscheidung und erfolgte rückblickend zu spät. Die Wetterverhältnisse waren katastrophal und beim Abstieg erfolgte das komplette White out, so. dass ein Abstieg während ca. einer Stunde unmöglich war. Das Ausharren in. grosser Kälte und starkem Wind war eine Grenzsituation. Dass sich die Sicht dann so weit besserte, dass ein Abstieg durch die Gletscherspalten Zone möglich war, ein grosses Glück.

Lessons learned

  • Wetter richtig einschätzen
  • Abbruch frühzeitig beschliessen
  • Abstieg muss noch möglich sein

 

2. Sangay, Ecuador

Wieder in Ecuador gibt es eine Sangay* Mini-Expedition. Hier gibt es am zweiten Tag einen Abbruch, weil die Route Richtung Basis Lager infolge Erdrutsches unpassierbar ist und wir beinahe unser Lastpferd verloren hätten.

Die Expedition mit einem Guide, einem jungen Begleiter und einem Lastpferd und mir war eine logistische Herausforderung, da wir das Abenteuer nur zu dritt plus einem Lastpferd machen wollten. Die Gegend ist komplett isoliert und die Route wurde seit Monaten nicht mehr begangen. Das weglose Gelände verwandelt sich schnell in einen unpassierbaren Dschungel. Wir waren für ein solches Abenteuer nicht entsprechend abgesichert und ausgerüstet. Das heisst, wir hatten weder ein Funkgerät noch Macheten oder ähnliche Werkzeuge, um den Weg freizumachen.

Der Erdrutsch vor dem zweiten Lager, dem eigentlichen Base Camp bedeutete dann das abrupte Ende. Ohne Pferd hatten wir keine Chance, weiterzukommen und der Zugang zum Fusse des Vulkans war völlig zerstört.

Uns blieb nur eine Möglichkeit: Umkehr und retour zum Lager 1. Am nächsten Tag dann die lange Wanderung zurück nach Guarguallà Chico.

Als kleinen Trost habe ich dann den nördlichen Nachbarn, den Vulkan Tungurahua, bei Banos bestiegen.

Lessons learned

  • Eine Expedition zum Vulkan Sangay ist mit einer so kleinen Gruppe sehr riskant.
  • Es braucht eine grösser Gruppe, bessere Ausrüstung (Funk, Werkzeuge, etc.)
  • Es braucht vorgängiges Rekognoszieren, ob die Route überhaupt passierbar ist

3. Apolobamba,  Bolivien

Ich bin in Bolivien und der Plan ist, das Gebiet Apolobamba* zu erkunden und dort ein paar Gipfel zu besteigen.  Das erste Lager befindet sich nach einer sehr anstrengenden Anreise zu hoch und ich werde höhenkrank. Ich entscheide am zweiten Tag, die ganze Tour abzubrechen und abzusteigen und in das nächste Dorf zu gelangen. Rückblickend hätte ein Abstieg ins Tal und ein Ruhetag die Situation entspannt. Da die ganze Region sehr abgelegen ist, gab es jedoch keine Möglichkeit auf medizinische Betreuung, wenn es tatsächlich ein grösseres gesundheitliches Problem gegeben hätte.

Lessons learned

  • Eine langsame Akklimatisation ist immer das Wichtigste
  • Ein verlässlicher Höhenmesser muss dabei sein, damit die Camps nicht zu hoch installiert werden
  • Ein Abstieg hätte die Situation entspannt und die Tour hätte wahrscheinlich wie geplant durchgeführt werden können. Jedoch gilt das Motto: lieber zu früh abbrechen, als zu spät und dann ein echtes Problem bekommen.

Fazit:

  • Ein gutes Risikomanagement ist in den Bergen wie im Business zentral und wichtig. Obwohl man davon ausgeht, dass ein Projekt erfolgreich sein wird, muss man immer einen Umkehrplan haben und damit rechnen, dass die Bedingungen und Verhältnisse sich rasch ändern können.
  • Es gilt abzuschätzen, wann der Moment des Abbruchs da ist (Wetter,  Passierbarkeit des Weges, Aufwand und Ertrag im Business).
  • Die Ausrüstung, bzw. die Ressourcen der jeweiligen Tour oder des jeweiligen Projektes anpassen
  • Die Sicherheit und Schonung von Mensch und in meinem zweiten Beispiel auch Tier, hat oberste Priorität.
  • Auf meinen Bergreisen bin ich sehr oft als Kleinstgruppe unterwegs. Eine kleine Gruppe hat zwar punkto Verantwortung und Führung einen Vorteil, nicht aber wenn es um Logistik und Back-up geht.

Den Cotopaxi habe ich ein paar Jahre später doch noch bestiegen,  wieder waren die Wetterbedingungen nicht ideal,  jedoch stand ich schliesslich auf dem Gipfel und kam heil. wieder unten an.

Die Gegend Apolobamba habe ich kurz kennengelernt und ich behalte diese abgeschiedene Region in sehr guter Erinnerung.  Ich denke nicht, dass ich jemals wieder dorthin zurückkehren werde.

Der Sangay wird ein Traum bleiben, es gibt Ziele, die wir nicht erreichen. Das gehört zum Leben.

Wie geht Ihr mit dem Scheitern um? Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht? Was habt Ihr daraus gelernt? Ich bin gespannt, Eure Kommentare zu lesen.

*** Informationen zu den Bergdestinationen in diesem Artikel:

Vulkan Cotopaxi 

Der Cotopaxi ist mit seinen 5897m der zweithöchste Berg Ecuadors und ist immer noch aktiv,. Er befindet sich 50km südlich von Quito und ist Teil der berühmten „Allee der Vulkane“ der Anden. Er ist der am häufigste bestiegene Vulkan Ecuadors und der meistbesuchte Gipfel Südamerikas.

Cordillera Apolobamba

Der Gebirgszug ist Teil der Ostkordillere der Anden und liegt 70km nördlich des Titicacasees und weist Gipfel von über 6000m auf.

Vulkan Sangay

Der Vulkan Sangay liegt im Südosten von Ecuador im Nationalpark Sangay, ist 5230m hoch und zählt zu den aktivsten Feuerbergen der Anden. Sein nördlicher Nachbar ist der Vulkan Tughurahua, 5016m. Der Sangay ist schwer zugänglich und wird selten bestiegen.

Judith Trachsel Oberleitner

JTO Solutions